Weltwoche: Die Gesetze des Skandals

Posted on April 19, 2010 von

3


Roger Köppel ist entrüstet! Die Kritik an der UBS steigere sich zu einem „Trommelfeuer“, ein „Empörungskartell“ bestehend aus Journalisten, politischen Hinterbänklern und Experten produziere falsche Vorwürfe und Irrtümer.

Isoliert ist der Bericht des liberalen Chefredakteurs nicht lesenswert. Seine Reize entwickelt er nur im Kontext des Artikels „Die Gesetze des Skandals“. Anhand der Thesen von Hans Matthias Kepplinger wird beschrieben, wie Journalistinnen eine Sache zum Grossereignis aufbauen und wie in diesem Prozess die Wahrheit auf der Strecke bleibt:

Wie ein gutes Märchen sind auch Skandale der Wahrheit verhaftet. „Die meisten Personen und Organisationen, die skandaliert werden, haben tatsächlich die Regeln verletzt. Die meisten Skandalierten bestreiten dies nach einiger Zeit auch nicht mehr. Zudem akzeptieren sie in der Regel die öffentliche Kritik. Trotzdem fühlen sich nahezu alle Skandalierten als Opfer des Geschehens und der Medien“. Neben den Opfern weisen Skandale weitere idealtypische Rollen auf:

  • Wortführer recherchieren intensiv. Von der Wahrheit der Geschichte sind sie gänzlich überzeugt. Zweifel an ihrer Geschichte kommen einem Vertuschungsversuch gleich. Das Recherchierte wird selbst bei starken Gegenbeweisen nicht relativiert. In solchen Fällen irrten sich die Behörden, die Gutachterinnen oder die Gerichte.
  • Mitläufer beitreiben keine eigenen Recherchen. „Sie stützen sich auf ihre kundigen Kollegen und reichen die bekannten Tatsachenbehauptungen mit marginalen Details oder passenden Spekulationen an“.
  • Chronisten bringen selbst keine Wertungen ein und verlieren so an Glaubwürdigkeit und Gewicht.
  • Skeptiker misstrauen den Behauptungen des journalistischen Main-Stream. Nicht konforme Informationen werden neutral präsentiert. Die Skeptikerinnen sind jedoch in der krassen Minderheit und finden kaum öffentliches Gehör.

Im Zusammenhang mit dem erwähnten Bericht über die mediale Vernichtungsschlacht gegen die UBS wird klar, was die Weltwoche suggerieren will: Das Opfer im UBS-Skandal ist die Bank. Grenzen zwischen Wortführer und Mitläufer sind fliessend. Hauptexponenten sind der Blick, der Tages-Anzeiger, 20-Minuten und Sonntag. Die NZZ übernimmt die Rolle des Chronisten. Und die Weltwoche? Ja die Weltwoche ist alleinige Skeptikerin. Als unabhängiges Blatt weist sie als einzige auf das wirklich Relevante hin. „Offensichtlich aber leben derzeit zu viele Meinungsmacher bestens vom Prügelknaben UBS“.

Das Selbstverständnis der Weltwoche als heldenhafte Skandal-Skeptikerin muss aber jeden Lesenden zum Schmunzeln bringen. Steht nicht etwa auf Seite 11 derselben Ausgabe, dass die Gerichte mit ihrem Entscheid gegen die Tribune de Genève ganz klar die Pressefreiheit verletzen? Wird auf Seite 16 nicht zum wiederholten Mal die menschliche Mitschuld an der Klimaerwärmung bestritten? Und wird auf Seite 35 das Verhalten der Wortführer nicht wie folgt beschrieben: „Im Zweifelsfall haben sich die die Gutachter geirrt, die Zeugen gelogen, die Gerichte falsch entschieden“?

Verschlagwortet: , , , ,