„Weiblicher Linksdrall“ zurück zum Absender

Posted on April 4, 2013 von

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Unter dem Titel „Weiblicher Linksdrall“ publizierte die Weltwoche heute eine Analyse der Geschlechterunterschiede im Nationalrat. Wir haben vor zwei Wochen ebenfalls über dieses Thema geschrieben (Die FDP und die Frauen) und begrüssen den Artikel sehr. Doch die Schlussfolgerungen, die Philipp Gut aufgrund Michael Hermann’s Daten zieht, sind problematisch.

Quelle: Weltwoche Nr. 14.13; Daten: Michael Hermann

Quelle: Weltwoche Nr. 14.13; Daten: Michael Hermann

Überinterpretation der Links-rechts-Achse

Der erste Teil der Analyse befasst sich mit den ideologischen Unterschieden zwischen Frauen und Männern innerhalb einer Fraktion. Gemessen werden Postionen auf der Links-rechts-Achse welche aufgrund des Abstimmungsverhaltens im Nationalrat ermittelt werden (Grafik, oben). Das Fazit des Autors zeichnet ein eindeutiges Bild:

„Die Schwierigkeiten von FDP und CVP mit ihren Frauen haben System. Denn bei den Mitteparteien ist der Geschlechtergraben mit Abstand am breitesten und tiefsten. (…) Die CVP-Frauen sind also so etwas wie notorische politische Fremdgängerinnen. Ähnlich markant ist der Geschlechterunterschied bei der BDP. Auch in deren Fraktion stehen die Frauen erheblich weiter links als die Männer. (…) Ebenfalls deutlich ist diese Differenz bei den Freisinnigen.“

Tatsächlich sind bei der CVP klare Positionsunterschiede zwischen den weiblichen und den männlichen Fraktionsmitgliedern zu erkennen (einen Punkt auf einer 10 Punkte Skala). Über die Dramatik dieser Differenz liesse sich trefflich streiten. Tatsache ist aber, dass sich CVP und BDP überschneiden und so eine klar eigenständige Position nicht mehr zu erkennen ist.

Ähnlich gross wie bei der CVP ist der Graben bei der BDP. Aber: Die BDP Fraktion besteht aus nur zwei Frauen und sieben Männern. Eine einzige rechte Frau würde folglich das Profil massiv verändern. Zudem wird eine Kausalität zwischen Geschlecht und Ideologie beschrieben, welche auf sehr dünnem Fundament fusst. Möglicherweise lässt sich die linkere Position der beiden BDP Frauen durch dritte Faktoren erklären. Die Aussage, dass BDP Frauen links stehen ist ähnlich irreführend wie die Behauptung das Störche Kinder bringen. Zwar besteht tatsächlich eine Korrelation zwischen Strochenpopulation und der Geburtenrate. Grund hierfür ist aber, dass Störche vor allem in ländlichen Gebieten nisten. Dort ist auch die Geburtenrate höher. Möglicherweise steht also nicht das Geschlecht hinter der Position der Politikerinnen, sondern eine andere Erklärung (etwa, dass Rosmarie Quadranti und Ursula Vannini Haller eher urbane Politikerinnen in einer ländlich geprägten Partei sind). Kurz: Korrelation bedeutet nicht immer Kausalität.

Vollkommen überzeichnet ist Gut’s Interpretation im Falle der FDP. In Wirklichkeit sind die Unterschiede zwischen den Frauen und den Männern alles andere als „deutlich“ (weniger als 0.5 Punkte). Ich meine, sie sind eher marginal.

Falsche Interpretation der Spinnengrafik

Bei den Spinnengrafiken (Grafik, unten) stellt der Autor fest:

„(…) sie [die Parlamentarierinnen] sind also linker und grüner eingestellt als die Männer. Ihre Zustimmung zu dem, was die Politologen ‚gesellschaftliche Liberalisierung‘ und ‚aussenpolitische Öffnung‘ nennen ist ebenfalls deutlich grösser“.

Wieso ist dieses Ergebnis nicht erstaunlich? Ganz einfach weil linke Fraktionen (wie in der oberen Grafik gezeigt wird) viel mehr weibliche Mitglieder haben als die Mittefraktionen oder die SVP-Fraktion. Das Ergebnis einer Analyse aller Abgeordneten muss dieses Bild ergeben nicht weil Nationalrätinnen linker sind, sondern weil Frauen in linken Fraktionen stärker vertreten sind. Die obige Aussage Gut’s ist schlicht unzulässig. Um eine entsprechende Aussage zu machen, hätten die Fraktionen getrennt aufgeführt werden müssen. Durch diese Fehlinterpretation fällt die ganze Argumentationskette in sich zusammen. Dies betrifft insbesondere die Aussage, dass Frauen, die Politik machen, Meinungen der Bürgerinnen schlechter transportieren als Männer.

Zurück zum Absender

Die Fragen, welche die Weltwoche aufwirft sind spannend und berechtigt. Aber die Beweisführung ist katastrophal. Zudem fehlt die Suche nach der Ursache der Geschlechterunterschiede fast gänzlich (wir haben uns hier und hier damit befasst). Und so bleiben die letzten Worte des Autors bedeutungslos:

Die Schlussfolgerungen, die sich aus der Auswertung der empirischen Daten ergeben sind pikant.

Besser wäre: Die Schlussfolgerungen, die sich aus der Auswertung der empirischen Daten ergeben sind falsch. Oder anders gesagt: zurück zum Absender.

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