Heute ist der 49. Tag im Jahr 2010. Heute ist Equal Pay Day.
Ein verdammter Lügetag!
Um im Jahr 2009 ein gleich hohes (durchschnittliches) Jahreseinkommen wie ein Mann zu erzielen, müsste das Arbeitsjahr der Frau bis heute, dem 11. März 2010, dauern. Frauen verdienen durchschnittlich 19.3 % weniger als Männer. Gegenüber dem Jahr 2006 hat sich die Situation um 0.4 % verschlechtert. Dies behauptet die Lohnstrukturerhebung 2008, durchgeführt von den grössten Dilettanten im Bereich der Statistik: dem Bundesamt für Statistik (BfS).
In Wirklichkeit ist alles anders, wie das immer fundierte Hintergrundmagazin „Weltwoche“ feststellt: „Nüchtern betrachtet zeigt sich: Am Arbeitsplatz werden Frauen systematisch bevorzugt. Von Diskriminierung kann keine Rede sein“ (Ausgabe 48/09). Die Zahlen des BfS sind nicht zu gebrauchen, denn „leider gehe nicht hervor, wie die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen exakt berechnet werde“ (Ausgabe 44/09). Kurz: Wie gross der unerklärbare und damit diskriminierende Teil der Lohnunterschiede ist, bleibt für immer ein Rätsel!
Und was ist mit den Ergebnissen der 113 Seiten langen Studie der Universität Bern? Diese sollte, im Auftrag des BfS und des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung von Mann und Frau (EBG), den Lohnunterschieden auf den Grund gehen. „Fast 40 Prozent der Lohndifferenz können nicht durch die Ausstattungsmerkmale erklärt werden und sind als Lohndiskriminierung zu werten“. Naja. Das Übersehen dieser Studie kann man der „Weltwoche“ nicht vorwerfen. Sie war ja auch schwer zu finden. Ausserdem liefern die geistreichen Kommentare zum Artikel der „Weltwoche“ eine Interpretationshilfe für Erkenntnisse dieser Art: „Feministinnen behaupten, sie könnten die Lohndiskriminierung beweisen“. Wie wahr! Wahrscheinlich sind die Macherinnen der Studie auch Mitglieder einer konspirativen, islamisch-kommunistischen Organisation aus Deutschlad.
Bleibt nur noch euch allen einen glücklichen Equal Pay Day zu wünschen… und den Frauen: viel Spass am Herd!
thinklanz
März 12, 2010
Apropos Zynismus:
Philipp
März 11, 2010
Dass die Weltwoche (beziehungsweise deren politisch sehr klar positionierte Redaktion) keine Freundin von Gleichstellungsprogrammen oder verwandten gesellschafts-/familienpolitischen Reformen ist, verwundert wohl kaum jemanden. Mich überrascht hingegen, mit welcher Persistenz die WeWo zu beweisen versucht, dass Diskriminierung (in den Löhnen und sonstwo) schon gar nicht existiert. Einerseits vertritt man die Haltung, dass die Rolle der Frau grundsätzlich die der Vollzeitmutter ist. Man betrachtet das weibliche Geschlecht als a priori determiniert um Kinder gross zu ziehen und sich dementsprechend irgendwann zwischen dem 30 und 40 Lebensjahr aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen. Wenn sich diese Ansicht aber in der Lohnstatistik niederschlägt, weil nämlich viele Arbeitgeber (bewusst oder unbewusst) eben diese stereotypen Erwartungen innehaben, behauptet man die entsprechenden Zahlen seien nicht richtig interpretiert, falsch berechnet oder bewusst manipuliert.
Letztere Behauptung ist natürlich Humbug. In einer interessanten Meta-Studie aus dem Jahre 2005 haben Weichselbaumer und Winter Ebner (1) 457 publizierte Arbeiten über Lohnunterschiede untersucht und alle gängigen Einwände detailreich und schlüssig widerlegt: Es gibt anscheinend in allen OECD Ländern nach wie vor einen mit Lohnindikatoren nicht erklärbaren Unterschied von 20% zwischen Mann und Frau. Während der mit Lohnindikatoren erklärbare Unterschied in den letzten 40 Jahren deutlich gesunken ist, hat sich das Residuum hingegen ziemlich Konstant auf 20% gehalten. Des Weiteren, und dies dürfte die Weltwoche Redaktion wohl besonders interessieren, hat das Geschlecht der Verfasserin / des Verfassers einer Studie keinen Einfluss auf den geschätzten Lohnunterschied. Auch wenn es traurig ist dies im Jahre 2010 zugeben zu müssen, Lohndiskriminierung bei Frauen ist Tatsache. Ein traditionelles Familienbild darf ja von mir aus jeder haben, aber die wirtschaftlich unbequemen Folgen daraus dann einfach weg zu leugnen scheint doch ein wenig stumpfsinnig.
(1) WEICHSELBAUMER, Doris / WINTER-EBNER, Rudolf (2005): „A Meta-Analysis of the International Gender Wage Gap“, in ed. Colin J. Roberts und T. D. Stanley: „Meta-regression analysis: issues in publication bias in economics“, Oxford UK: Blackwell.
royber
März 11, 2010
die weltwoche bedankt sich bei einem weiteren leser…
ceterum censeo: gemäss verfassung ist es ok, wenn eine frau (bzw. ein mann) für dieselbe arbeit 19.3% weniger verdient als eine andere frau (bzw. ein anderer mann)…